Deepfakes am Kapitalmarkt – Gefahr aus dem Nichts
HomeWie künstlich erzeugte Videos und Stimmen den Aktienkurs beeinflussen können – und was Emittenten sowie Anleger jetzt wissen müssen
Künstliche Intelligenz kann heute nicht nur Gedichte schreiben oder Vertragsklauseln analysieren – sie kann auch täuschend echte Videos, Tonaufnahmen oder Pressemitteilungen erzeugen. So genannte „Deepfakes“ stellen damit eine neue Dimension der Desinformation dar – mit ganz realen Folgen für Kapitalmärkte, börsennotierte Unternehmen und private wie institutionelle Anleger. Im Folgenden werde die rechtlichen Hintergründe, Pflichten von Emittenten und typische Fallkonstellationen aus der anwaltlichen Praxis erläutert.
Deepfakes: Was ist das überhaupt – und warum ist das so gefährlich?
Dieses veranschaulichte Prof. Dr. Dörte Poelzig in der Zeitschrift Bank- und Kapitalmarktrecht (BKR) in dem Artikel „Deepfakes am Kapitalmarkt“ an folgendem Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie sehen ein Video, in dem der Vorstandsvorsitzende von Bayer in einer Livesendung erklärt, sein Unternehmen habe einen revolutionären Wirkstoff zur Gewichtsreduktion entwickelt – eine „Abnehmpille“ mit sofortiger Wirkung. Die Aktie schießt in die Höhe. Zwei Tage später stellt sich heraus: Das Video war gefälscht – Stimme, Mimik, Bewegungen – alles generiert durch KI. Kein Medikament. Kein Durchbruch. Nur eine perfekte Illusion.
Solche Fälle sind keine Science-Fiction. Im Jahr 2025 kursierte genau ein solches Deepfake-Video in sozialen Netzwerken – mit realen Folgen an den Märkten. Anleger investierten unter falschen Voraussetzungen. Shortseller nutzten die Fälschung gezielt aus.
Auch negative Deepfakes sind ein Problem: Eine gefälschte Pressekonferenz, in der ein angeblicher Vorstand von Strafzahlungen berichtet – und schon fällt der Kurs. Die Urheber solcher Inhalte bleiben meist im Dunkeln, während der Schaden bei Emittenten und Anlegern eintritt.
Was sagt das Recht? – Marktmanipulation durch Deepfakes
Rechtlich ist die Sache klarer, als viele denken: Deepfakes, die auf den Kapitalmarkt zielen und fehlerhafte Informationen verbreiten, gelten als Marktmanipulation. Dies ist nach Artikel 12 Absatz 1 lit. c der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) ausdrücklich verboten – und strafbar, wenn vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt wurde (§§ 119, 120 WpHG).
Ziel solcher Fälschungen ist es regelmäßig, künstlich auf den Kurs einzuwirken – sei es nach oben (durch gefälschte Erfolgsmeldungen) oder nach unten (durch fingierte Skandale). Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern strafrechtlich wie aufsichtsrechtlich relevant.
Pflichten von Emittenten – müssen Unternehmen reagieren?
Die zentrale Frage lautet: Was muss ein Unternehmen tun, wenn es durch ein Deepfake betroffen ist?
1. Pflicht zur Korrektur („Ad-hoc-Mitteilung“)
Kommt ein börsennotiertes Unternehmen zu der Erkenntnis, dass eine Falschmeldung über es im Umlauf ist – etwa durch ein Deepfake-Video oder eine manipulierte Pressemitteilung – kann eine Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung einer Richtigstellung bestehen.
Diese Pflicht ergibt sich aus Artikel 17 MAR – der sog. Ad-hoc-Publizität. Das bedeutet: Ist die Richtigstellung geeignet, den Kurs erheblich zu beeinflussen (also würde ein verständiger Anleger seine Entscheidung davon abhängig machen), muss das Unternehmen aktiv werden.
Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Unternehmen die Falschmeldung selbst verbreitet hat oder überhaupt dafür verantwortlich ist. Es reicht, dass die Desinformation dem Emittenten zugeschrieben wird und eine marktrelevante Erwartung erzeugt.
2. Pflicht zur Marktbeobachtung?
Noch weitergehender ist die Frage: Muss ein Emittent aktiv nach Deepfakes suchen? Also selbstständig prüfen, ob irgendwo im Netz manipulierte Inhalte über ihn kursieren?
Die Antwort hierauf ist noch nicht abschließend geklärt. Es spricht jedoch viel dafür, dass börsennotierte Unternehmen organisatorisch so aufgestellt sein müssen, dass sie relevante Informationen – auch Fake News – rechtzeitig erkennen und darauf reagieren können. Das ist Teil ihrer allgemeinen Kapitalmarkt-Compliance.
Mit Blick auf moderne Technologie ist es daher zunehmend ratsam, eigene Monitoring-Systeme einzusetzen, die KI-generierte Desinformation aufspüren – etwa über automatisierte Medienbeobachtung oder Deepfake-Erkennungssoftware.
Welche Rechte haben Anleger, die durch Deepfakes geschädigt wurden?
Für geschädigte Anleger stellt sich die Frage: Kann ich mein Geld zurückbekommen, wenn ich durch ein Deepfake zu einer Anlageentscheidung verleitet wurde?
Grundsätzlich kommen hier zwei Wege in Betracht:
- Schadensersatz gegen die Täter: Diese sind oft schwer zu ermitteln – insbesondere bei anonymem Verbreiten im Internet. Ermittlungen gestalten sich oft schwierig.
- Haftung des Emittenten: Wenn der Emittent die Falschmeldung nicht oder verspätet korrigiert hat, obwohl dies nach der MAR geboten war, können Schadensersatzansprüche aus § 97 WpHG (Verstoß gegen Pflichten zur Marktinformation) in Betracht kommen. Voraussetzung: Der Anleger muss nachweisen, dass er auf die Falschmeldung vertraut hat – und ihm daraus ein Schaden entstanden ist.
Fazit: Neue Zeiten, neue Gefahren – aber auch neue Pflichten
Deepfakes am Kapitalmarkt sind keine Randerscheinung mehr. Sie stellen reale Risiken für Anleger, Unternehmen und die Stabilität des Marktes dar. Die rechtlichen Instrumente sind vorhanden – sie müssen aber konsequent angewendet werden. Emittenten sind zunehmend gefordert, proaktiv zu handeln, sobald Fälschungen kursieren, die ihnen zugerechnet werden.
Für Anleger gilt: Seien Sie kritisch bei überraschenden Erfolgsmeldungen oder Skandalen, vor allem wenn sie nur über soziale Netzwerke verbreitet werden. Prüfen Sie die Quelle. Und im Zweifelsfall: Suchen Sie rechtlichen Rat.
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